Bruce Springsteen
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"Deliver Me From Nowhere": Bruce Springsteen im Zwiespalt

"Deliver Me From Nowhere" zeigt den Boss ohne Stadionglanz - zerrissen zwischen Zweifel, Genie und der Last des eigenen Mythos. Ein Biopic, das spaltet und gerade darin seine Stärke findet.

Zwischen Kunst und Krise

Nach monatelanger Promotion, einer großen Enthüllung der legendären Electric Nebraska Sessions und jeder Menge Medienrummel ist „Deliver Me From Nowhere“ nun in den Kinos gelandet. Bruce Springsteen selbst war regelmäßig am Set und stand Regisseur Scott Cooper beratend zur Seite. „Jeremy Allen White war unglaublich geduldig mit mir, wenn ich auftauchte“, erzählte Springsteen dem Rolling Stone. „Ich sagte immer: Wenn ich dir im Weg bin, sag’s einfach – dann verschwinde ich.“

Trotz Starpower und Fanbase blieb der kommerzielle Erfolg aus: Nur rund 16 Millionen Dollar Einspielergebnis bei stolzen 55 Millionen Produktionskosten. Ob der Film überlebt, hängt nun von Mundpropaganda und möglichen Oscar-Nominierungen ab.

 

Der düsterste Boss aller Zeiten

Coopers Film wagt einen Blick auf Bruce Springsteen in einer seiner schwärzesten Phasen – die frühen 1980er, kurz vor Born in the U.S.A.. Statt Stadionhymnen gibt’s Zweifel und kreative Selbstzerfleischung. „Deliver Me From Nowhere“ zeigt den Boss nicht als Volkshelden, sondern als Mann, der mit seinen Dämonen ringt.

Jeremy Allen White (bekannt aus The Bear) verkörpert Springsteen mit einer Intensität, die Kritiker spaltet. Viele loben seine leise, nach innen gekehrte Darstellung, andere vermissen das musikalische Feuer. Jeremy Strong (als Manager Jon Landau) wird als starke Ergänzung gefeiert – aber die enge zeitliche Fokussierung auf 1981–82 lässt manchen Kritiker ratlos zurück.

Stimmen der Kritik – von Gänsehaut bis Gähne

Rolling Stone: David Fear nennt den Film „weitaus spannender als eine bloße Greatest-Hits-Show“. Er sieht in Coopers Werk keine klassische Musikerbiografie, sondern ein „emotionales Kammerspiel über Kreativität und Schmerz“.

New York Times: Manohla Dargis hebt hervor, dass White nicht versucht, Springsteen zu imitieren. „Er fängt sein inneres Chaos ein – und gerade in der Stille wird dieser Film laut“, schreibt sie.

Vulture: Bilge Ebiri lobt den Fokus auf den Entstehungsprozess von Nebraska: „Kreativität erscheint hier als gefährlich, traurig und unberechenbar – genau deshalb lohnt sich der Film.“

Variety: Peter Debruge geht noch weiter: Für ihn ist „Deliver Me From Nowhere“ „eine melancholische Ballade über das gescheiterte Amerika der Reagan-Ära“ – ein düsteres Echo auf den amerikanischen Traum.

Nicht alle teilen diese Begeisterung:

The New Yorker bemängelt, dass der Film kaum Einblick in den eigentlichen Schaffensprozess gewährt. „Die entscheidenden Momente bleiben nur angedeutet“, kritisiert Richard Brody.

Wall Street Journal spricht gar von einem „kitschigen Psychogramm des Boss“. Kritiker Kyle Smith moniert überinszenierte Traumsequenzen und nennt Whites Spiel „eine ermüdende Seelenrolle“.

Washington Post-Autor Chris Richards fasst es nüchterner: „Ein halbwegs guter Film über ein großartiges Album.“ Seine Lieblingsszenen? „Die, in denen Bruce schweigt – allein am Wasser, verloren zwischen Vergangenheit und Zukunft.“

Zwischen Authentizität und Hollywood

Springsteens starke Präsenz am Set verlieh dem Film zwar Authentizität, löste aber auch Diskussionen aus: War das Ganze ein ehrlicher Selbstblick oder doch ein Versuch, sich durch Hollywoods Linse zu bestätigen?

Trotz aller Schwächen: „Deliver Me From Nowhere“ ist kein gewöhnliches Musiker-Biopic. Es ist ein Film über das Schweigen zwischen zwei Akkorden, über das Ringen mit sich selbst – und über die Einsamkeit, die auch Legenden kennen.

Fazit: Kein Popcornkino – aber echter Stoff für Fans

Wer Popstar-Glamour oder Konzertnostalgie erwartet, wird enttäuscht. Wer Bruce Springsteen als Künstler verstehen will, der mit Schmerz schöpft und sich immer wieder selbst in Frage stellt, bekommt hier ein raues, ehrliches Porträt.

Ein Film wie Nebraska selbst – leise, kantig, kompromisslos. Und genau deshalb irgendwie groß.

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